Die spirituellen Lehrer OM C. Parkin, Regina Sara Ryan und Dirk Ryu Künne sind die Referenten der internationalen Konferenz der Stiftung im Oktober 2023 im Kloster Gut Saunstorf: „Gelebte Innere Praxis | Zen – Bhakti – Integraler Yoga“.

Sie haben uns im folgenden Interview jeweils drei Fragen beantwortet, die sich mit der inneren Praxis eines Suchenden nach wahrer Erkenntnis beschäftigen, und geben Einblick in die durch sie gelehrte und gelebte Praxis.

OM C. Parkin

OM ist spiritueller Meister, Mystiker und Buchautor sowie Initiator der OM-Stiftung Innere Wissenschaft. Seine Lehre der stillen Tradition gründet auf der östlichen advaita-Tradition (Lehre der Nicht-Dualität) und den Lehren des Integralen Yoga.

1. Welchen Stellenwert hat die innere Praxis auf dem Erwachensweg des Menschen? Welchen hat sie für dich?

OM: Die innere Praxis ist die Lebensaufgabe des inneren Menschen, welche den gelegten Samen zum prächtigen Lebensbaum voll entfaltet. Sie beschreibt die Aktivität und Passivität des inneren Lebens. Die Arbeit, die zu tun ist, als auch jene, die zu lassen ist.

2. Beschreibe bitte in wenigen Sätzen die innere Praxis, die du lehrst und – lebst.

OM: Die innere Praxis des Vierten Weges lehrt die Befreiung von jeglicher Fixierung auf einem der ersten drei Wege, welche die innere Gefangenschaft des Menschen beschreiben: Körperliche, emotionale und geistige Gefangenschaft. Losgelöst von diesen leidvollen Identitäten, kehrt der harmonische, innere Kreislauf dieser ersten drei Wege in den unbekannten Vierten Weg ein. Der Vierte Weg ist die Synthese und die Transzendenz. Er allein kann als der reine Weg des SELBST beschrieben werden.

3. Welche Schwierigkeiten erwiesen sich auf deinem Weg als besonders hartnäckig? Oder: An welchen Punkten warst du/ war dein Ich besonders hartnäckig?

OM: Hartnäckigkeit des Ichs existiert nur so lange, wie das Ich dem TOD nicht vollständig ins Auge blickt, ihn folglich nicht kennt. Die Erkenntnis des Todes durch die Frage: Wer stirbt? löscht die falsche Existenz des Ichs und damit auch seine Hartnäckigkeit einmal und für immer.

Regina Sara Ryan

Regina Sara Ryan schreibt Bücher und gibt Seminare. 1984 begegnete sie ihrem spirituellen Lehrer, Lee Lozowick, dessen Lehre in der indischen Baul-Tradition begründet ist. Sie folgt dem, was sie den Pfad der „schamlosen Hingabe“ nennt. Sie lebt in Arizona.

1. Welchen Stellenwert hat die innere Praxis auf dem Erwachensweg des Menschen? Welchen hat sie für dich?

Jeder Mensch hat ein inneres Leben, ob er es nun so nennt oder nicht. Wir sprechen mit uns selbst und beschäftigen uns mit den Inhalten unseres Geistes; wir regen uns auf oder sind deprimiert über das, was im Körper/Geist auftaucht, selbst wenn wir diese Zustände nicht äußerlich ausleben. Selbst wenn eine Stimmung nicht von realen Umständen ausgelöst wird, kämpfen wir gegen sie an oder geben ihr nach. Wir haben unsere Gewohnheiten, innerlich mit Schmerz oder Freude, die wir gerade erleben, umzugehen. Wir führen Unmengen von inneren Dialogen mit anderen oder anderen „Ichs“ in uns selbst. Wir planen. Wir träumen. Wir phantasieren. Wir analysieren. Wir sind besessen. Wir machen uns Sorgen.

Wenn dieses innere Leben seinen eigenen, undisziplinierten Kräften überlassen wird, richtet es verheerenden Schaden an in Form von Krankheit, emotionalem Aufruhr, Zersplitterung und Verleugnung oder in Form von Fantasiewelten, in die man sich flüchtet, um dem zu entkommen, was ist.

Wenn man zu seiner wahren Natur erwachen oder in der Liebe handeln oder leben möchte, die der Untergrund allen Seins ist, muss man anerkennen, dass es ein inneres Leben gibt, und dann mit Neugier, sanfter Aufmerksamkeit und Wachsamkeit die Zustände dieses Lebens beobachten. Wir müssen uns Selbst erkennen. Indem wir hinsehen, erlauben wir einer inneren Tür, sich uns zu öffnen. Wir sehen, wie sehr wir vom Ego/Geist beherrscht werden und wie wenig wir auf den Körper hören, der das Gefäß unseres inneren Lebens ist. Wenn uns Gnade zuteil wird, empfangen wir die wahre Lehre darüber, was Entspannung wirklich bedeutet. Entspannung ist die Grundlage des Erwachens. 

Für mich ist beständige innere Arbeit von entscheidender Bedeutung. Meine Arbeit besteht darin, zu beten, zu danken und mich in die Hand der göttlichen Liebe hinein zu entspannen. Wenn ich keine innere Praxis ausübe, habe ich keine Möglichkeit, den Griff der Gewohnheit zu lockern und ich bleibe unzugänglich für Das, was mich lebt und als Stille und Liebe erfahrbar ist.

2. Beschreibe bitte in wenigen Sätzen die innere Praxis, die du lehrst und – lebst.

Ich benutze hauptsächlich drei Formen der Praxis, um das Wesen und den Wert der inneren Arbeit zu lehren. Dies sind auch die Formen der Praxis, die mein tägliches Leben ausfüllen:

  1. Ich leite Zoom-Gruppen und intensive Wochenendprogramme zu Selbstbeobachtung und Selbsterinnerung, die auf der Arbeit von Red Hawk basieren und sich zudem auf Lee’s Lehre und Gurdjieff-Arbeit stützen.
  2. Ich teile meine eigene Bhakti-Leidenschaft für Gebet, Mantra, Nama, Meditation und Puja mit anderen Menschen, die ein Bedürfnis danach haben, durch meine Bücher und durch das Aufrechterhalten eines inneren Gebetsraumes.
  3. Ich lehre das Schreiben von Prosa und Poesie als Mittel, sein inneres Leben auszudrücken und zu feiern.

3. Welche Schwierigkeiten erwiesen sich auf deinem Weg als besonders hartnäckig? Oder: An welchen Punkten warst du/ war dein Ich besonders hartnäckig?

Das Paradox, der Konflikt, die Herausforderung, die mich mein ganzes Erwachsenenleben lang begleitet hat, ist die des sozialen Dienens (oder sogar des Seva für andere) in Formen, die eher praktisch und greifbar sind, gegenüber der Hingabe an das kontemplative Gebet. Seit meinen ersten Jahren im Kloster war ich hin- und hergerissen zwischen dem Beispiel des radikal-aktivistischen Priesters Daniel Berrigan auf der einen und dem des kontemplativen und mystischen Schriftstellers Thomas Merton auf der anderen Seite. Der Archetyp Martha/Maria veranschaulicht diese Schwierigkeit in idealer Weise. Wer hat wirklich „den besseren Teil gewählt“ (wie Jesus über Maria gesagt haben soll) und was ist die Aufgabe dieses Teils in der heutigen Zeit? Immer diese Fragen, mit denen wir uns auseinandersetzen müssen.

Die andere ständige Herausforderung besteht in dem Zwiespalt, „es richtig zu machen“ oder der Intuition des Herzens zu folgen. Ich habe viele Retreat-Tage damit verbracht, „ein guter Soldat“ zu sein, bis der Geliebte mir schließlich die Anweisung gab, langsamer zu werden, keine plötzlichen Bewegungen zu machen und mich am Liebe-Leben zu beteiligen! Dieselbe Schwierigkeit manifestiert sich als „Ich will“ im Gegensatz zu „Dein Wille geschehe mit mir“. Ein sehr wichtiges Thema, mit dem ich ständig zu tun habe. Ich bin eine sehr effiziente Macherin. Es ist schwierig für mich, zuzugeben, dass „ich es nicht machen kann“.

Was den Widerstand gegen die Praxis angeht? Die heilige Widerstandskraft ist bei jeder Bemühung präsent.

Ich war zwar nicht immer so, aber ich merke jetzt, dass ich großen Widerstand habe gegen jede Aufforderung, „zu üben, als ob die Haare brennen“. Gegen alles, was nach dieser männlichen, militärischen Herangehensweise an das Üben klingt, oder gegen jede andere Inanspruchnahme meiner Zeit. Jeden Morgen sträubt sich das Ego dagegen, aufzustehen und den Zeitplan einzuhalten. Aber in Wahrheit liebe ich den Tag, der vor mir liegt, und ich mag, dass es eine gewisse Struktur in meinen Übungszeiten gibt. Mehr und mehr lerne ich, dass man sich mit dem Widerstand anfreunden kann.

Dirk Ryu Künne

Ryu ist Gründer und Betreiber vom Wolkentor ZEN-Tempel in Halle (Saale). Als ZEN-Meister der Rinzai-Linie praktiziert er die besondere Methodik des „Koan-Zen“.

1. Welchen Stellenwert hat die innere Praxis auf dem Erwachensweg des Menschen? Welchen hat sie für dich?

Ryu: Die innere Praxis im Kontext des Zen drückt sich direkt durch den Körper aus. Man könnte also sagen, dass Innerlichkeit & Äußerlichkeit eine Einheit bilden. Die Praxis des Zen wird oft auf das stille Sitzen (Zazen) beschränkt. Das ist aber nicht Zen-Praxis. Zazen ist zwar unterschiedlich von allen anderen Handlungen, wird aber aus der Sicht des Zen als gleichwertig betrachtet. Folglich ist jede Handlung und Erscheinung Weg & Ziel zugleich.

2. Beschreibe bitte in wenigen Sätzen die innere Praxis, die du lehrst und – lebst.

Ryu: Im Rinzai-Zen gibt es die Zen-Koans. Diese Art könnte man als „verinnerlichende Praxis“ interpretieren (Kanna-Zen = Betrachtung der Worte). Dieses Hilfsmittel (Upaya), integriert in das „Sitzen in Stille“, stellt den elementaren Praxisweg zum Erwachen in meiner Schule dar. Ein Koan könnte man mit einem „Besen“ vergleichen, der die Anhaftung an ein „zwanghaftes dualistisches Denken“ wegfegt.

3. Welche Schwierigkeiten erwiesen sich auf deinem Weg als besonders hartnäckig? Oder: An welchen Punkten warst du/ war dein Ich besonders hartnäckig?

Ryu: Ein Weg ergibt nur Sinn, indem man diesen auch geht! Der Zen-Weg beginnt mit den ersten „Erwachens-Erlebnissen“ (Selbstwesensschau – jap. Kensho). Dies wird als Eintritt in den Weg angesehen, nicht als Ende des Weges. Das größte Hindernis oder der Irrglaube auf dem Zen-Weg besteht darin, sich einzubilden, dass man etwas erreicht hat. Der Weg wird als „bodenlos“ angesehen. Der Zen-Meister Rinzai sagt dazu: „Ich bin immer auf dem Weg, und doch immer zu Hause“. Im Zen geht es in den ersten Jahren nicht darum ein „Ich“ loszuwerden, sondern immer deutlicher die Illusion von dem Gedanken, ein „Ich loswerden zu müssen“, zu durchschauen. Danach (nach Eintritt in den Weg) geht es darum, selbst von dieser Illusion, nämlich: „befreit/erleuchtet zu sein“, loszulassen. Dies wird eigentlich als ein viel wesentlicherer Aspekt auf dem Weg angesehen und bedarf lebenslanger Praxis.

Konferenz: Gelebte Innere Praxis | Zen – Bhakti – Integraler Yoga

mit OM C. Parkin, Regina Sara Ryan, Dirk Ryu Künne

20.-22. Oktober 2023

im Kloster Gut Saunstorf
internationale, zweisprachige Veranstaltung

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