Seit der Gründung der OM-Stiftung Innere Wissenschaft im August 2022 spricht OM immer wieder vom Übergang in eine ‚Neue Zeit‘. Ein Bestandteil dieser neuen Zeit ist der Einzug des gelebten Bhakti in unsere Gemeinschaft. Der Impuls, diesem Weg bewusst Raum zu geben, entstand nach einer USA Reise von OM mit einigen Schülern, deren letzte Station ein Besuch im Ashram des verstorbenen Baul-Meisters Lee Lozowick war. Während dieses mehrtägigen Aufenthalts erlebten die reisenden Schüler eine starke Berührung und Öffnung des Herzens, und es wurde deutlich, dass der dort immer noch gelebte Bhakti-Weg eine bereichernde und wichtige Inspiration für unsere Gemeinschaft ist. Neben den inneren Prozessen, die seitdem in der Gemeinschaft wirken, entstand der Impuls, ähnliche Rituale für die Sangha zu entwickeln, die uns im Prozess weiter unterstützen.
Eines dieser Rituale ist ein regelmäßiger Darshan ohne die persönliche Anwesenheit OMs. Wir kommen zusammen, um gemeinsam Mantren zu singen, Gebete zu sprechen und in einem kreativen und freien Raum darzubieten, was uns berührt. Es werden Gaben zum Altar gebracht und wieder empfangen.
Ein weiteres äußeres Element ist der neue Prasad Raum. Es ist ein Raum im Kloster, der in der Obhut der Gemeinschaft liegt und vorrangig von ihr genutzt wird. Es ist ein Raum der Begegnung, ohne bestimmte Ziele. Hier kommen wir nach der Sangha mit OM zum Prasad zusammen, und wie er sich darüber hinaus und aus uns heraus füllen wird, entwickelt sich.
Für diesen Artikel haben wir einigen Schülern Fragen zu ihrer Erfahrung und Annäherung an den Bhakti-Weg gestellt, die wir hier gerne mit euch teilen möchten.
Muni
Was ist Bhakti für dich?
Treue. Und die Freiheit ihr zu folgen. Also der Treue in der Liebe zu Gott.
Was für Schwierigkeiten/Fallen und was für Potenziale siehst du in der Annäherung?
Der Weg des Bhakti, der Weg der Hingabe ist für mich die Erlaubnis zu lieben. Also Gott lieben zu dürfen, oder auch den Guru zu lieben. Dieser Weg führt für mich immer weiter in eine Form der Kontemplation, also der inneren Betrachtung und der Erfahrung von Gott. Der Benediktinermönch Bede Griffiths beschreibt diese Verbindung sehr einfach in einem Zitat:
„Kontemplation ist das Erwachen zur Gegenwart Gottes
im Herzen des Menschen und im uns umgebenden Universum.
Kontemplation ist Erkenntnis im Zustand von Liebe.“
Benediktinermönch Bede Griffiths (1906 – 1993)
Und vielleicht liegt die Gefahr in der Verwechslung, dass ich in der Liebe zu einem äußeren Objekt hängen bleibe und den Weg nach innen vergesse. Wobei der erste Schritt – überhaupt erst einmal lieben zu dürfen – die größere Herausforderung in unserer Gesellschaft ist.
Welche Veränderungen nimmst du bereits wahr?
Es ist wie, wenn die Erkenntnisfähigkeit mit der Erfahrung von Liebe vereint wird. Es ist wie eine Konzentration von Weite im Herzen. Es ist etwas paradox, aber genau das löst eine große Freude in mir aus. Es kommt von Oben und von Unten von Links und Rechts. Mir kommt dabei die Symbolik des Kreuzes auf eine ganz neue Art nah. Mit Jesus als Mensch und Sohn Gottes daran und darin gebunden.
OM beschreibt die Integration von Bhakti als eine Vervollkommnung der Lehre. Was bedeutet das für dich?
Das alles nach Hause kommt in mir. Das Liebes-Erkenntnis aufsteigen darf. Und das das kein Konzept ist sondern Erfahrung sein darf. Gewissheit.
Katrin
Was ist Bhakti für dich?
Bhakti ist der Weg der Hingabe. Bhakti ist die Liebe zum Guru und zu Gott. Für mich bedeutet das, immer wieder den Ort und die Haltung in mir aufzusuchen, in der es klar ist, dass es nicht an mir ist zu bestimmen und dass ich in Wirklichkeit ein kleiner Teil der großen Ordnung bin. Bhakti ist annehmen und feiern, was ist.
Was für Schwierigkeiten/Fallen und was für Potenziale siehst du in der Annäherung?
Die Imitation von Hingabe sehe ich als größte Falle. Der Grat zwischen falscher und wahrer Liebe ist schmal, obwohl die beiden einander komplett entgegen stehen. Das Potential sehe ich unter anderem in der Schwächung bis hin zur Möglichkeit der Auflösung des Über-Ichs.
Welche Veränderungen nimmst du bereits wahr?
Es öffnet sich ein Raum von Einfachheit und Menschlichkeit. Die Sehnsucht nach Hingabe bekommt mehr Gewicht und es zeigt sich eine natürliche Freude in der Annäherung an Guru Yoga. Wage ich es mich mit meiner Liebe dem Lehrer zu zeigen? Lebt der Guru auch in meinem Weggefährten? Wie möchte sich die Liebe durch mich ausdrücken? Ich sehe, dass sich solche Fragen in der Gemeinschaft beginnen zu bewegen.
OM beschreibt die Integration von Bhakti als eine Vervollkommnung der Lehre. Was bedeutet das für dich?
Bhakti war immer Teil der Lehre, aber jetzt beginnt sich dieser Weg auch in angemessenem Maße zu manifestieren und tritt so als die linke Hand Gottes, als Teil des Ganzen in die Bewusstheit der Schüler. Das Potential dieses Weges will entdeckt und gelebt werden.
Deva
Was ist Bhakti für dich?
Bhakti ist für mich eine Möglichkeit, meine Liebe zu Gott auszudrücken, eine Sadhana, die mir als Musikerin besonders nahe liegt, vor allem durch das Singen der Mantren. Der Wunsch, dem Göttlichen nahe zu sein und ihm Ehre zu erweisen, findet in Bhakti einen äußeren Ausdruck durch das Rezitieren von Gebeten und die Ausführung von Ritualen. Manchmal habe ich das Gefühl, mich durch das Eintauchen in diese Rituale tatsächlich aufzulösen. Diese Rituale, insbesondere die Einbindung des Feuers, haben eine grundlegende Quelle in einem Wissen und einer Anleitung, die direkt in den Veden beschrieben sind, und sicherlich auch im Christentum. Die Verbindung zu diesem jahrhundertealten Wissen ist für mich spürbar. Gleichzeitig ist es auch eine einfache Achtsamkeitsübung, durch die ich merke, wenn ich nicht vollständig präsent bin. Bhakti, auch wenn ich nicht im Detail weiß, was es genau bedeutet, ist eine Nahrung für mich. Durch äußere Handlungen fließt etwas von mir weg und kehrt innerlich zu mir zurück.
Was für Schwierigkeiten/Fallen und was für Potenziale siehst du in der Annäherung?
Ich denke, die Gefahr für mich liegt darin, in einen Idealismus und eine Verblendung durch übermäßige Emotionalität zu verfallen. Das Herz wird stark berührt, was eine Verführung birgt, dort zu verweilen. Ich erinnere mich daran, wie ich OM einmal im Darshan nach der Herzöffnung, die ich erlebt hatte, fragte und er antwortete: ‚Das Herz hat seinen Platz, aber bleibe nicht dort stehen.‘
Die Fokussierung auf die Hingabe ist eine Versuchung, das Studium zu vernachlässigen und meinen ‚Grips auszuschalten‘, was mein Potenzial der Erkenntnis einschränkt. Dann bleibt auch diese Praxis in einer Form naiver Kindlichkeit stecken.
Ich sehe das auch als Gratwanderung, da mein Über-Ich sich natürlich einmischt und mir sagt: ‚Aha, Gefahr: nicht sich selbst darin verlieren; nicht scheinheilig werden, denn es geht ja darum, die Zorneskraft nicht zu vergessen; ist ja nur eine äußerliche Form und eine Anbetung von äußeren Objekten, letztlich geht es um das Innere… usw.‘ Das ist auch richtig, und daher erfordert es Wachsamkeit von meiner Seite, sowie die Sangha und den Lehrer, um mich wieder auf den Pfad der Mitte zu führen, wenn ich vom Kurs abkomme.
Gleichzeitig sehe ich darin jedoch auch die Versuchung, der Hingabe und der möglichen Auflösung, die durch Bhakti erfahren werden kann, einen subtilen Widerstand entgegenzusetzen. Das ist heikel. Denn dadurch verhindere ich auch das Potenzial, das in Bhakti steckt, nämlich vollständig in das Herz einzutauchen und den Nektar der Liebe und Sehnsucht nach Gott zu nähren und zu kosten.
Für mich ist Bhakti auch eine Form, wie ich dem Guruprinzip näherkommen kann. Das Praktizieren ist auch eine stetige Erinnerung an Pranam – also an die Unter- oder Einordnung meines Eigenwillens. Das sehe ich zumindest für mich als einen Schlüssel dieser Praxis.
Isabell
Was ist Bhakti für dich?
Vollkommene Annahme dessen was ist und liebende Hingabe. Meine Erfahrung bestätigt dabei das, was ich in anderen Zusammenhängen schon oft erlebt habe und was der Geist nicht versteht: Diese Annahme und Hingabe kann ich nicht machen oder erreichen, ich kann sie mir auch nicht vornehmen, und sie hat nichts mit einem liebevoll oder liebend aussehenden Verhalten zu tun.
Es ist ein rein innerlicher Zustand, der von außen nicht einmal erkennbar sein muss, aber natürlich auch einen sichtbaren Ausdruck erhalten kann, den ich ebenfalls nicht machen kann. Dennoch scheint es möglich, diese Herzenskraft auch gezielt zu erwecken, nämlich indem ich genau solche Ausdrucksformen (der Liebe, des Dienens und der Hingabe) praktiziere und kultiviere.
Die Rituale stellen für mich so ein Mittel für diese gezielte Erweckung dar. Sie haben das Potenzial, den Verstand auszuhebeln und das Herz ungehemmt sprechen zu lassen. Das habe ich zum Beispiel so erlebt, als wir zum ersten Mal gemeinsam im Großen Saal gemeinsam das Mantra sangen. Der Geist war still und reine Freude, so als habe er vergessen sich einzuschalten, weil er so ganz in der Erfahrung aufgegangen ist, dass er nicht auf den Gedanken kam zu denken. Aber wie so oft machte ich auch hier die Erfahrung, dass das nicht willentlich wiederholbar ist und dass es eine gewisse Arbeit braucht, immer wieder frisch und absichtslos zum Sangha Darshan zu gehen.
Nicht immer habe ich Lust dazu, und das gleiche gilt für das Prasad Ritual. Manchmal bin ich müde, manchmal einfach bequem, oder ich will nach einem vollen Tag meine Ruhe haben. Dann frage ich mich, was denn nun stimmt, worum es gerade geht: Gehe ich hin, weil mein Wunsch und mein Sehnen größer ist als die Bequemlichkeit? Bleibe ich zu Hause, weil ich wirklich müde bin? Mir geht es mit den Ritualen genauso wie mit allem anderen auch: Meine Unterscheidungskraft und meine Ehrlichkeit sind gefragt, und allein das ist ja auch schon eine gewisse Unbequemlichkeit.
Vielleicht ist es ein bisschen wie mit der Meditation. Bhakti braucht auch meinen Willen und Disziplin. Mit Disziplin dem Herzen folgen, es einfach tun, bis der Wunsch von alleine immer größer wird, weil sich die Früchte zeigen in Form von wachsender Freude, Verbundenheit und Stille. Und dann gilt es, nicht nach den Früchten zu jagen und die Offenheit zu bewahren, dass nichts von alledem eintritt oder alles oder etwas ganz anderes. In dem Sinne empfinde ich Bhakti auch als Arbeit. Eine Herzensarbeit.
Was für Schwierigkeiten/Fallen und was für Potenziale siehst du in der Annäherung?
Ich sehe in der Ausübung der Rituale eine Falle darin, einem Bild von Bhakti entsprechen zu wollen, insbesondere an Tagen, an denen tiefe Berührung ausbleibt und alte Gedankenmuster sich einmischen darüber, wie ich mich richtigerweise zu fühlen und was ich zu erleben habe. Wenn der Geist übernimmt und ich schlafe, besteht immer die Gefahr, etwas darstellen zu wollen, mitzulaufen, oder regressiven und verklärten Emotionen von Gemeinsamkeit und Dazugehörigkeit zu folgen. Das ist unangenehm, danach kommen Leere und Fadheit.
Welche Veränderungen nimmst du bereits wahr?
Ich sehe mich selbst und auch die Gemeinschaft an dem Punkt, dass es darum geht, die Verantwortung für mich selbst und damit auch gleichzeitig für das Ganze zu übernehmen. Letztlich das Thema, das uns schon lange beschäftigt, das wahre Erwachsenwerden. Das hört sich vielleicht abgedroschen an, weil wir schon so oft darüber gesprochen haben. Trotzdem ist für mich etwas anders geworden. Mir scheint, dass nach all den Jahren des Ausprobierens, Scheiterns, Kämpfens, gut machen Wollens nun ein Punkt gekommen ist, an dem die alten und gewohnten Strategien des Geistes, Veränderung herbeiführen und irgendwohin kommen zu wollen, sich langsam totlaufen. Sie haben ihren Dienst getan und wollen nun zu Ende gehen. Die Herzen wollen sich öffnen, und damit schmilzt die Macht des Über-Ichs. Dieses Schmelzen löst auch innere Enge auf, und wenn die Wahrnehmung sich öffnet, findet ein Erkennen statt, dass ich gar nicht getrennt bin von der Sangha, von dem Ort, und überhaupt, dass ich kein getrenntes Wesen bin. In diesem Prozess wird es ganz von alleine natürlich, mich für das Ganze verantwortlich zu fühlen. Es ist keine Pflicht mehr, es ist einfach so, auch wenn ich keine Ahnung habe, was das konkret bedeutet und in welche Handlungen es führt.
OM beschreibt die Integration von Bhakti als eine Vervollkommnung der Lehre. Was bedeutet das für dich?
Was bei mir in diesem Zusammenhang anklingt ist das Thema der ‚Rückkehr auf den Marktplatz‘. Diese Rückkehr steht für mich auch für die Liebe zum Menschsein, die Annahme und Integration alles Menschlichen, in mir und natürlich auch außerhalb von mir. Und für die Verbindung mit dem Ganzen sowie meiner natürlichen Verantwortung für das Ganze aus dieser Verbindung heraus.