Im Gespräch mit OM C. Parkin
OM, was verstehst du unter Himmel und Hölle?
Es gibt eine evolutionsphilosophische Perspektive auf Himmel und Hölle und es gibt eine Auslegung aus der Perspektive des Ichs im Menschen. Diese beiden Perspektiven müssen voneinander unterschieden werden. In der evolutionsphilosophischen Perspektive gibt es keinen hierarchischen Unterschied zwischen Himmel und Hölle. Der Himmel als Symbol repräsentiert den Weg und das Ziel des Aufstiegs, während die Hölle den Weg und das Ziel des Abstiegs beschreibt. Aber das ist eine Perspektive der Inneren Wissenschaft. Sie ist nicht die gewöhnliche Perspektive der Menschen, die natürlich aus den Augen ihres Geistes schauen. In ihrer Sichtweise wird die Hölle zu einer Symbolik der Leidenswelt der Menschen und der Himmel zur Symbolik der Befreiung, der Erlösung und der Weitung des Bewusstseins.
Wenn ich „Himmel und Hölle“ höre, kommt mir sofort ein Gegensatzpaar aus der christlichen Lehre in den Sinn: „Jenseits und Diesseits“.
Diese Begrifflichkeit von Jenseits und Diesseits entspricht der von mir eben zitierten evolutionsphilosophischen Perspektive. Zwischen dem Jenseits und dem Diesseits gibt es in dieser objektiven Perspektive keinen hierarchischen Unterschied. Es handelt sich einfach um zwei Aspekte des Seins, nämlich den Aspekt der Manifestation der Schöpfung im Diesseits und den Aspekt der Nicht-Manifestation im Jenseits.
Ich lese in deinem Lehrbuch „Intelligenz des Erwachens“, dass die eigentliche Hölle das Getrenntsein von Gott ist und dass sie nicht zu vermeiden ist, sondern dass sie im Gegenteil ein elementarer Bestandteil des Erkenntnisweges des Menschen ist. Kannst du das näher ausführen?
Die christlichen Menschen des Mittelalters, allgemein: vergangener Zeiten, machten ja das Diesseits verantwortlich für die Hölle, in der sie lebten. Unter Diesseits verstanden sie die vergängliche Welt und im engeren, reduzierten Sinne die körperliche Inkarnation, sprich ihren eigenen Körper. Und den machten sie verantwortlich für die innere Enge und Beschränktheit, in der sie lebten. Aber es ist nicht das Diesseits an sich, das die Hölle ausmacht, wenn wir die Hölle als Synonym für die innere Leidenswelt des Menschen verstehen. Dass das Diesseits so stark mit der Hölle verbunden ist, hat damit zu tun, dass das Diesseits eben auch den Schlaf des Bewusstseins im Menschen hervorgebracht, gefördert und aufrechterhalten hat. Das heißt, durch das Diesseits wird die Selbstvergessenheit im Bewusstsein des Menschen verewigt. Dennoch bleibe ich bei der Aussage, dass es nicht das Diesseits selbst ist, sondern vielmehr die Unwissenheit, die Ignoranz des Geistes im Menschen, die für die Hölle verantwortlich ist, aber nicht das Diesseits selbst.
Es ist Teil eines Erkenntnisweges – und das ist das Zitat auf das du dich beziehst -, dass der Mensch durch die Inkarnation in den Schlaf des unbewussten Paradieses fällt und dann zunächst in die unbewusste Hölle muss, um dann aus dieser Position heraus die Möglichkeit zu haben, über den Eintritt in die bewusste Hölle, das Tor in das bewusste Paradies zu finden. Das bewusste Paradies ist das verwirklichte Jenseits. Das verwirklichte Jenseits wiederum enthält auch das Diesseits, welches ohne Leiden, jedoch mit allen menschlichen Indisponiertheiten ist.
Ist die Veräußerlichung im Diesseits eine Ablenkung von der inneren Hölle? Oder ist es die Veräußerlichung selbst, die das innere Leiden ausmacht?
Die Veräußerlichung des Bewusstseins beginnt mit der physischen Inkarnation, weil der Mensch im physischen Zustand durch die körperlichen Augen schaut. Und weil er durch die körperlichen Augen schaut und die inneren Augen ungeöffnet und vergessen sind, befindet er sich zwangsläufig in einem dualistischen, einem getrennten Zustand. Weil ja dieser Körper immer getrennt sein wird von anderen Objekten, die ihn umgeben und welche die körperlichen Augen sehen. Das heißt, der physische Mensch, der auch ein kindlicher Mensch ist, sieht alles durch die körperlichen Augen. Er sieht Objekte, die von ihm getrennt sind. Er versucht durch den Aufbau von Beziehungen diese Trennung zu überwinden und stellt früher oder später ernüchtert fest, dass diese Überwindung, wenn überhaupt, nur für sehr kurze Momente möglich ist. Das heißt, die Veräußerlichung beginnt mit dem physischen Zustand des Menschen. Dieser Zustand ist das Fundament der Hölle, in der er lebt. Im weiteren Verlauf seiner Entwicklung gibt es weitere Stufen, also Evolutionsstufen dieses Leidensgebäudes, in dem er lebt. Dieser denkende Geist im Menschen ist für alle Höllen verantwortlich, in denen er lebt, aber er ist auch derjenige, der den Menschen wieder aus der Hölle herausführen kann. Das wird nur in wenigen Menschen vollständig geschehen, aber es gibt eine gewisse Zahl von Menschen, die sich auf einem bewussten Weg befinden und durch ihre innere Praxis die Spuren dieses Geistes zu verfolgen lernen, um Erkenntnis zu erlangen. Erkenntnis ist der höchste Weg aus der Hölle. Es gibt jedoch noch andere Wege, den Weg der Hingabe und der Liebe. Liebe löst die Hölle auf, indem sie diese Scheinwelt zum Schmelzen bringt.
In deinen Artikeln zur „Täuschung des positiven Denkens“ beschreibst du ja, wie Menschen versuchen, durch positives Denken ihrer inneren Hölle, ihrem Leiden zu entfliehen und alles Negative auszublenden. Ist es nicht verständlich, dass der Mensch ins Positive strebt und sich danach sehnt in den Himmel zu kommen?
Wir leben in einer Zeit zunehmender Verflachung des Bewusstseins, die jede Begegnung mit der Intensität der inneren Hölle ausblendet. Wenn du dir vorstellst, in der heutigen Zeit würde im Vorabendprogramm des Fernsehens eine Sendung über die Kreuzigung Jesu laufen, dann würde es einen Ansturm besorgter und empörter Eltern geben, die es für eine Zumutung halten würden, Kinder mit einer derartigen Gewalttätigkeit zu konfrontieren. In einem Vortrag erwähnte ich die Marktentwicklung des größten Devotionalienhändlers in Deutschland. Dort zeigt sich, dass immer weniger Kreuze mit dem gekreuzigten Jesus verkauft werden, während Engel in allen Variationen erheblichen Umsatzzuwachs zu verzeichnen haben. Engel als Handschmeichler, Engelsskulpturen, Engelsbilder, Engelskarten, Engel in jeder erdenklichen Form. So verkommt der Engel, eigentlich ein altes christlich-esoterisches Symbol des Mittlers zwischen Diesseits und Jenseits, zu einem positiven Talisman, einem Glücksbringer Symbol, dem einzig die Aufgabe zukommt, tieferes Leidensbewusstsein, jegliche höhere Intensität tief im Inneren des Menschen zu vermeiden. In Wirklichkeit ist es der Moment bewussten Leidens, welcher die Wandlung in die innere Freiheit des Menschen einleitet.
Empfiehlst du also den Aufenthalt in der Hölle, um der Verflachung des Bewusstseins und dem Aufenthalt in einem verwässerten Himmel gegenzusteuern? Und wie kann man dieser Anweisung entgegen der Tendenz des Geistes folgen?
Der Himmel im höchsten Sinne des Befreiungsweges ist nur in der bewussten Hölle zu finden. Das bedeutet, dass ein Aufenthalt in der Hölle, der in Leidenschaft oder Depression, schlimmstenfalls im Alter in Elend und Siechtum führt, kein Aufenthalt in der bewussten Hölle ist. Es ist vielmehr eine Heimsuchung der unbewussten Hölle, in der dieser Mensch lange zuvor bereits lebte, als es ihm in seinem Oberflächenbewusstsein scheinbar gut ging. Da er aber ein Leben lang vermieden hat, sich dieser Hölle wirklich zu stellen, wird er dann früher oder später von dieser Hölle heimgesucht. Das ist nicht die Herangehensweise eines inneren Menschen, der ein ernsthaftes Interesse verfolgt, Himmel und Hölle zu erkunden. Der Aufenthalt in der bewussten Hölle verwandelt die Hölle. Es ist nicht das Ich im Menschen, das die Hölle verwandelt, es ist vielmehr die Erkenntnis in der bewussten Hölle, durch die diese Hölle sich von selbst in den Himmel wandelt, in das endlose Bewusstsein, das nunmehr die Erfahrung ist.
Und was ist mein Beitrag, um in der bewussten Hölle Erkenntnis zu erlangen?
Dein Beitrag besteht darin, Bewusstsein in diese Hölle zu bringen, will heißen, Bewusstsein in die Orte des Unterbewusstseins zu bringen, welche in dir verantwortlich sind für jegliche Form des Leidens. In den inneren Lehren ist der Begriff des Leidens ein Synonym für Unwissenheit und die falschen, verengten Identifikationen, die daraus erwachsen.
Wie können Himmel und Hölle wirklich zusammenkommen? Was ist der Weg in die bewusste Vereinigung dieser Gegensätze? Kannst du das noch einmal näher beschreiben?
Die innere Praxis des Weges lehrt die Menschen alle Ebenen ihres Daseins zu füllen, das heißt zu bewohnen, und diese Wohnung zurückzulassen, sobald sie bewohnt ist. Wenn die Identifikation mit Körper und Geist beendet ist, dann lebt der Mensch im Himmel und dieser Himmel hat die Hölle in sich aufgenommen. Die Hölle ist dann nicht mehr der Ort des Leidens, oder das Reich des Leidens, es ist einfach ein Ort der Vergänglichkeit, in dem das Spiel der Polaritäten ein göttliches Spiel spielt. Und dieser vergängliche Ort ist von der Unvergänglichkeit, die diesen Ort hervorbringt, von seiner eigenen Quelle beseelt und nicht mehr getrennt. So existiert keine eigenständige Vergänglichkeit mehr. Das gesamte vergängliche Leben, die Schöpfung ist in Ewigkeit. In GOTT.
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